
In meinen Mentorings nutze ich oft Metaphern – vor allem maritime und Reisemetaphern – um innere Prozesse greifbarer zu machen. Sie helfen dabei, komplexe Gefühle, Erfahrungen und Wendepunkte im Leben zu benennen und ihnen eine neue Bedeutung zu geben.
Denn wenn du dich aufmachst, deine Lebensgeschichte zu erkunden – explore your life story – dann bist du wie auf einer Reise: manchmal klaren Kurses, manchmal im Nebel, manchmal mit Rückenwind, manchmal in stürmischer See. Metaphern können dabei wie Kompass, Karte oder Anker wirken. Sie eröffnen neue Sichtweisen, verbinden das Innen mit dem Außen und laden ein, das eigene Leben mit frischen Augen zu betrachten.
In diesem Beitrag zeige ich dir, wie Kunst in meinen Begleitungen als Hafen, Kompass oder offenes Meer erlebbar wird – und wie sie dir helfen kann, deine eigene Geschichte mutiger, verspielter und bewusster zu gestalten.
Kunst als Kompass: Neue Perspektiven finden
Wir können nicht immer beeinflussen, welche Stürme uns das Leben beschwert, aber wir können entscheiden, wie wir ihnen begegnen und sie durch- oder umsegeln. Die Kunst bietet uns immer wieder neue Möglichkeiten, unsere Geschichten zu reflektieren und zu ändern. Indem wir Inneres nach Außen tragen, schaffen wir uns ein Gegenüber, das wir anblicken, genauer betrachten und reflektieren können – wie ein Kompass, der uns dabei hilft, unsere innere Richtung neu auszurichten.
Beispiel:
Ein Klient, der sich beruflich neu orientieren wollte, hat durch das Malen intuitiver Bildserien erkannt, dass er unbewusst immer wieder dieselben Motive und Farben verwendete. Erst durch das Sichtbarmachen wurde ihm klar, wie sehr sein Wunsch nach Sicherheit seinen Handlungsspielraum begrenzte – und wie er sich nach neuen Ufern sehnte.
Kunst als sicherer Hafen: Rückzugsort und Quelle neuer Kraft
Die Kunst ist ein Hafen, in dem wir uns zurückziehen können, Kraft schöpfen und uns bereit für neue Lebensabenteuer machen. Ein Ort, an dem wir sein dürfen, so wie wir sind. Ein stiller Ankerplatz, fernab von äußeren Erwartungen – dort, wo wir unsere Geschichten neu schreiben dürfen.
Beispiel:
Eine Klientin, die in einer familiären Pflegekrise steckte, nutzte in einem Collagenprozess das künstlerische Arbeiten, um ihre emotionale Erschöpfung auszudrücken. Sie beschrieb die Atelierzeit später als „Rückzugsinsel“, die ihr half, durchzuatmen und Kraft zu sammeln, um ihre Situation mit neuem Blick zu betrachten.
Kunst als Navigationshilfe: Orientierung im inneren Ozean
Navigieren im Leben erfordert ein hohes Maß an Selbstkenntnis über die eigenen Ressourcen, Fähigkeiten und Stärken. Im künstlerischen Explorieren kommen wir uns spielend auf die Spur, lernen uns (neu) lesen und verstehen. In einer spielerischen, wertschätzenden Umgebung trauen wir uns mehr, sind offener für neue Erfahrungen und lernen schneller. Wenn wir unsere Lebensgeschichte(n) durch die Augen der Kunst näher betrachten, zeigen sich Gewohnheiten, Möglichkeiten und Zusammenhänge, die uns zu Aha-Momenten einladen – wie Landmarken auf einer Seekarte, die wir vorher nicht kannten.
Beispiel:
Ein junger Mann, der mit chronischer Entscheidungsunsicherheit kämpfte, entwickelte im Kurs „Lebenslinien zeichnen“ ein visuelles Tagebuch. Über die Zeit erkannte er, dass sein inneres „Zickzack“ auch mit seiner Angst vor Erwartungen zu tun hatte. Durch kreative Reflexion fand er allmählich einen inneren Kurs, der sich stimmiger anfühlte.
Kunst als Spiegel auf offener See
Wenn wir uns in ungewohnten Momenten befinden, was bei vielen in der Kunst der Fall ist, ist unser innerer Kritiker besonders laut. Situationen, die uns im künstlerischen Prozess hindern, sind oft dieselben Punkte, die uns im Leben herausfordern – wie Untiefen, die unter der Oberfläche schlummern. Häufige Themen sind z. B. eigene Grenzen, Wunsch nach Kontrolle, Perfektionismus und alte Glaubenssätze. Auch zeigen sich in der Form und Art, wie wir künstlerisch arbeiten und in den entstehenden Werken, unsere Präferenzen und persönliche Themen, denen wir uns nicht immer bewusst sind.
Beispiel:
Eine Teilnehmerin, die immer wieder ihre Skizzen vernichtete, bevor sie fertig waren, erkannte im Gespräch, dass sie sich auch im Alltag häufig zurücknahm, „bevor es sichtbar wurde“. Durch das bewusste Weiterzeichnen lernte sie, im Prozess zu bleiben – und sich sichtbar zu machen.
Kunst als Sprachrohr bei Funkstille
Gefühle, Eindrücke und Stimmungen in Sprache zu überführen, ist nicht immer ganz leicht – besonders in rauen Gewässern des Lebens. Mithilfe kreativer Methoden, künstlerischer Mittel und Medien können wir neue Zugangsweisen finden, uns auszudrücken, uns Gehör zu verschaffen, uns selbst zu verstehen. In der Kunst kann Unsichtbares sichtbar gemacht werden, Ungesagtes gesagt und Unmögliches möglich gemacht werden – wie das Empfangen eines längst verlorenen Funksignals, das uns wieder mit uns selbst verbindet.
Beispiel:
Ein Jugendlicher, der kaum sprachlich über seinen Verlust sprechen konnte, fand durch ein Musikprojekt eine Ausdrucksform. Seine Eigenkomposition wurde zu einem Ankerpunkt in der Trauerarbeit – ein Klang, der seine Geschichte trug, ohne Worte zu brauchen.
Kunst als offenes Meer: Spielraum für neue Narrative
Wir alle schreiben Geschichten. Unser ganzes Leben besteht aus unzähligen Geschichten: Erlebten Geschichten und Geschichten, die wir uns über uns selbst, andere und die Welt erzählen. Manchmal unterstützen uns diese Geschichten, manchmal schränken sie uns ein. In Konfliktsituationen gelingt der Blick „über den Tellerrand“ nur mühsam oder gar nicht, unser Möglichkeitshorizont scheint verengt und von dichtem Nebel bedeckt. Auch in neuen Lebensphasen, -abschnitten, in Umbruchzeiten, wo wir uns ändern oder unsere Umgebung sich ändert, ist es wichtig, sich der eigenen Narrative bewusst zu sein und sich Gestaltungsräume zu ermöglichen.
Beispiel:
Ein Klient, der in einen internationalen Job wechselte, fühlte sich „wie auf hoher See ohne Karte“. Durch kreatives Schreiben mit Bildern und Symbolen entwickelte er eine „innere Landkarte“, die ihn an seine Werte und bisherigen Erfahrungen erinnerte – ein persönlicher Anker in unbekannten Gewässern.
Kunst als Experimentierraum jenseits von Hafenregeln
Im „echten Leben“ gibt es oft keine oder kaum Zeit zum unbedarften Ausprobieren und Spielen – Entscheidungen, Handlungen und Verhalten haben Konsequenzen, wir bewegen uns in vorgegebenen gesellschaftlichen oder familiären Systemen, sind zahlreichen Regeln unterworfen, fühlen uns begrenzt.
In der Kunst besteht die Freiheit, Dinge auszuprobieren und durchzuspielen. Mit kindlicher Neugier darf mit allen Sinnen erkundet und erlebt werden – wie auf einem Segeltörn, bei dem wir die Segel selbst setzen und den Wind der Möglichkeiten nutzen.
Ein respektvoller, wertschätzender, verständnisvoller Raum fern von Leistungsdruck und Bewertung, in dem alles darf, nichts muss, ermöglicht eine angenehme Atmosphäre, die Kreativität, Selbstausdruck und eine klare Sicht auf eigene Wünsche, Bedürfnisse und Perspektiven fördert – wie ein Leuchtturm, der Orientierung schenkt, ohne Richtung vorzuschreiben.